Eine Frage beschäftigt aktuell die Nachrichten: Erhält Wladimir Putin von seinen Beratern genügend korrekte Informationen, um zielführende Entscheidungen im Ukraine-Krieg treffen zu können? Oder traut sich keiner, der Überbringer schlechter Nachrichten zu sein?
Vor dieser Problematik stehen alle Führungskräfte ganz unabhängig von ihrem Zuständigkeitsbereich. Es geht hierbei um den Abgleich des eigenen Selbstbildes mit dem Fremdbild, dem Außenblick. Die Sozialpsychologen Joseph Luft und Harry Ingham haben dazu in den fünfziger Jahren das sogenannte Johari-Fenster entwickelt:
mir bekannt | mir unbekannt | |
anderen bekannt | öffentliche Person | Blinder Fleck |
anderen unbekannt | private Person | Unbewusstes |
Zu der öffentlichen Person gehören die Dinge, die jede*r sehen kann, wie äußeres Erscheinungsbild und Informationen, die in der aktuellen Situation öffentlich zugänglich sind, wie zum Beispiel der Name, die Ausbildung, die Funktion, etc. Zur privaten Person gehören Themen, die zunächst nur der Person selbst bekannt sind. Darunter fallen zum Beispiel Gedanken, Gefühle, aber auch private oder familiäre Informationen In dem Johari-Fenster wird deutlich, dass Menschen in jeder Situation entscheiden können, wie viel sie von ihrer privaten Person bekannt machen möchten und wie groß sie damit das Fenster „öffentliche Person“ machen möchten. Das Modell ist also nicht statisch, sondern kann situationsspezifisch angepasst werden.
Darüber hinaus gibt es aber auch Informationen, die „die anderen“ von mir oder meinem Zuständigkeitsbereich haben, die mir selbst nicht zugänglich sind. Das ist der blinde Fleck und dieser Bereich ist für Führungskräfte von entscheidender Bedeutung. Der blinden Fleck kann zum Beispiel die Wirkung auf Mitarbeiter*innen oder das gesamte Team sein oder der eigene Ruf im Unternehmen. Aber auch wichtige Informationen und Fakten können Gegenstand des blinden Flecks sein, wie es aktuell bei Putin vermutet wird.
Psychologischer Praxistipp
Wenn Sie den blinden Fleck verkleinern wollen, dann benötigen Sie dazu immer andere Menschen, die bereit sind, Ihnen ehrliches Feedback zu geben. Daher ist eine offene Feedback-Kultur im eigenen Team für die Führungskraft mindestens so wichtig wie für die Mitarbeiter. Neben den eigenen Mitarbeiter*innen eignen sich auch Kolleg*innen auf der gleichen Führungsebene oder ein externes Netzwerk für Feedback.
Je höher jemand in der Unternehmens-Hierarchie steht, desto wichtiger wird externes Feedback durch Berater*innen oder Coaches, denn immer weniger Menschen im Umfeld der Führungskraft werden sich trauen, die Überbringer gerade der wichtigen, schlechten Nachrichten zu sein. Und nicht zuletzt braucht es auch die Bereitschaft, die Perspektive der Anderen auch hören und wertschätzen zu wollen.
Quelle: Luft J./Ingham H. (1955): The Johari window: a graphic model for inter-personal relation