Von Christiane Freihold

Spaltungen von Teams: Durchmischung statt Blasenbildung

Gaza-Krieg und Haltung zu Israel, Waffenlieferungen an die Ukraine, Heizungsgesetz und Gendern…. Selten gab es so viele kontroverse Themen, auf die es keine einfachen Antworten gibt und die zu Spaltungen nicht nur innerhalb der Gesellschaft, sondern auch in Betrieben zu Spaltung innerhalb von Teams führen können. Ein sachlicher Austausch unterschiedlicher Positionen für ein differenzierteres Verständnis der Sachlage und gegenseitige Toleranz und Akzeptanz wäre wünschenswert und würde sich für alle lohnen.

Doch der offene Austausch der unterschiedlichen Positionen geschieht eher selten. Wir suchen uns lieber die Menschen, die unsere eigenen Meinungen bestätigen und meiden die Konfrontation mit anderen Positionen. Diese „Blasenbildung“ innerhalb der Gesellschaft können wir gerade wieder in Bezug auf den Konflikt zwischen Israel und der Hamas beobachten und auch diesmal scheinen Positionen unvereinbar.

Dieses Phänomen ist nicht neu und doch machen es die unergründlichen Weiten des globalen Internets uns Menschen leichter, für nahezu alle Meinungsausprägung eine eigene „In-Group“ zu finden. Das hat zur Folge, dass es immer weniger notwendig wird, uns mit anderen Meinungen und Argumenten auseinanderzusetzen, die eigene Meinung immer wieder kritisch zu hinterfragen und die Quellen unserer Information immer wieder neu auf den Prüfstand zu stellen.

Der Sozialpsychologe Fritz Heider hat bereits 1945 mit seiner Balancetheorie beschrieben, warum es uns zu möglichst gesinnungsgleichen Menschen zieht und wie wir aktuell sehen, selbst dann, wenn sie nur virtuell vorhanden sind.

Nehmen wir ein einfaches Beispiel:

Herr Müller ist für ein Tempolimit auf Autobahnen. Jetzt trifft er Frau Meyer – Sie ist strikt dagegen.

Laut Heider streben wir Menschen nach Balance. Diese ist gegeben, wenn die Summe der Vorzeichen in den Einstellungs-Triaden positiv ist, also bei +++ oder auch bei +- – (denn minus und minus gibt wieder plus) Wenn Herr Müller also das Tempolimit befürwortet, steht zwischen ihm und dem Thema „Tempolimit“ ein Plus, da Frau Meyer gegen ein Tempolimit ist, steht zwischen ihr und dem Thema „Tempolimit“ ein Minus.

Damit die Situation zwischen den beiden Protagonisten in Balance kommt, ist es am einfachsten, die beiden sprechen gar nicht miteinander oder gehen sich sogar aus dem Weg. Dann steht also zwischen Herrn Müller und Frau Meyer ein Minus und für beide Personen ist die Triade in Balance und jeder kann bei seiner Meinung bleiben.

Ein Austausch, ein gegenseitiges Verständnis, eine Überprüfung der eigenen Position oder ein aufeinander Zukommen, all das findet dann nicht statt.

Natürlich wäre es ebenfalls möglich, dass einer der beiden seine Meinung zum Tempolimit ändert. Auch dann wäre die Triade in beiden Fällen ausbalanciert. Dazu ist jedoch eine starke soziale Bindung zwischen Frau Meyer und Herrn Müller nötig oder ein äußerer Faktor, der sie dazu bringt, sich in die Dis-Balance zu begeben und sich austauschen zu müssen. Ohne dies werden sie den einfacheren Weg wählen und den Konflikt meiden.

Im unternehmerischen Kontext kennen und fürchten wir die negativen Auswirkungen von Grüppchenbildung im Team. Und wir wissen aus Erfahrung, dass eine Annäherung der Gruppen nicht von alleine geschieht. Versuche, durch Multiplikatoren, Lotsen oder Change-Agents Einstellungen von Mitarbeitergruppen zu verändern, werden nur funktionieren, wenn parallel auch Raum und Zeit für einen inhaltlichen Austausch geschaffen werden.

Psychologischer Praxistipp

Schaffen Sie anlassbezogene Zusammenkünfte, in denen Mitarbeitende ins Gespräch kommen, moderieren Sie diese Treffen wertschätzend und zielgerichtet und setzen Sie interaktive Methoden ein, bei denen alle Teilnehmenden zu Wort kommen und gehört werden. Dafür eignen sich zum Beispiel Interviews, World-Cafés oder Place Mats.

Durch diese bewusst gesteuerte Intervention erreichen Sie, dass Mitarbeitende in Ihrem Unternehmen trotz der wahrgenommenen Dis-Balance aufeinander zugehen müssen und ihre eigene Blase verlassen.

Dies bedeutet noch nicht, dass man seine eigene Weltsicht aufgibt und auf magische Weise Meinungsdifferenzen verschwinden. Es geht erst einmal nur darum, überhaupt einen Austausch mit Menschen außerhalb der eigenen Blase zuzulassen und dabei zumindest die Offenheit zu haben, andere Meinungen zu hören und Andere unabhängig von ihrer Meinung zu akzeptieren.

Die wertvolle Erfahrung Ihrer Mitarbeitenden, mit der eigenen Meinung gehört zu werden und Aspekte anderer Perspektiven nachvollziehen zu können, wird Ihre Unternehmenskultur in Richtung Respekt und Akzeptanz entwickeln und darüber hinaus einen wichtigen Grundstein für das Thema Diversität legen.

Die in diesem Zusammenhang erworbenen Kompetenzen ermöglichen Ihren Mitarbeitenden auch in ihrem Privatleben offener auf Menschen mit anderen Meinungen zuzugehen und aus ihrer Blase hinauszuschauen.

Hier finden Sie einen weiteren Artikel zu Konflikten in Teams.

Foto: unsplash

Psycho-Hacks vom rosaroten Elefanten

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Christiane Freihold
Christiane Freihold
Als Psychologin (Diplom) und systemische Beraterin mit Linien- und Beratungserfahrung in mittelständischen Unternehmen, Konzernen und Behörden möchte ich einen Beitrag dazu leisten, dass wir beruflich und privat neugierig aufeinander bleiben, uns gegenseitig besser verstehen, auf Bedürfnisse des Gegenübers angemessener reagieren und die Welt ein Stück fröhlicher und lebenswerter machen.

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