Kennen Sie Blender? Das sind Mitarbeiter*innen, die äußerst selbstbewusst auftreten und sich nach außen optimal verkaufen können. Wenn man ihnen aber Verantwortung gibt, zum Beispiel ein Projekt überträgt, ist die Enttäuschung oft groß, weil sie bei Weitem nicht erfüllen, was sie an Erwartungen geweckt haben.
Der Halo-Effekt
Das, was oft wie eine negative Persönlichkeitsausprägung oder sogar krankhafte Charakterstörung von Mitarbeiter*innen beschrieben wird, ist im Kern ein Wahrnehmungsfehler bzw. Beurteilungsfehler auf Seiten der Führungskräfte – der Halo-Effekt oder auch Heiligenschein-Effekt. Dieser Effekt beschreibt unsere menschliche Neigung, von einem auffälligen, positiven Merkmal einer Person fehlerhafte Rückschlüsse auf Kompetenzen oder andere positive Eigenschaften dieser Person zu ziehen (Thorndike, 1920). So konnten Studien zeigen, dass wir zum Beispiel gut aussehenden Menschen automatisch eine höhere Intelligenz zuschreiben, als weniger gut aussehenden Menschen. (Kellerer,2017) Auch bekommen attraktivere Menschen mehr Trinkgeld und bessere Noten. (Parrett, 2015; Clifford und Walster, 1973)
In Bezug auf Blender in unserem Team oder Unternehmen wirkt sich der Halo-Effekt so aus, dass wir von der positiven Eigenschaft dieser Menschen, selbstbewusst reden und überzeugen zu können, darauf schließen, dass sie auch andere Dinge gut können, zum Beispiel Projekte managen oder Mitarbeiter führen. Daraus erwächst unsere Erwartung, die dann entsprechend enttäuscht werden kann. Besonders in Bewerbungssituationen sollten ich mir dieses Wahrnehmungsfehlers bewusst sein und genau wissen, welche Kompetenzen ich bei meinem Bewerber/ meiner Bewerberin suche und wie ich diese gezielt abfragen kann.
Psychologischer Praxistipp
Erstellen Sie für Ihre Mitarbeiter*innen ein Kompetenzenprofil, indem Sie gemeinsam ihnen analysieren, welche Kompetenzen vorhanden sind und welche noch ausgebaut werden können. Idealerweise nutzen Sie dazu Anforderungs- und Tätigkeitsprofile oder eine Tätigkeitsbeschreibung und gleichen die jeweiligen Kompetenzen damit ab.
Das dient zum einen der objektiveren Beurteilung Ihrer Teammitglieder und damit auch einer erfolgreicheren Zuordnung von Aufgaben oder Projekten und zum anderen der Motivation und Förderung Ihrer Mitarbeiter*innen, die eine transparente Rückmeldung über Ihre Leistungen erhalten und wissen, wie sie sich weiterentwickeln können.
Der Horn-Effekt
Übrigens gibt es auch den gegenteiligen Effekt, den „Horn-Effekt“. Hier überstrahlt ein negatives Merkmal die anderen Eigenschaften und ich laufe Gefahr, Beschäftigte systematisch zu unterschätzen. Zum Beispiel übersehe ich vielleicht, dass ein/e introvertierte/r und unauffällige/r Mitarbeiter*in gute Kompetenzen in der Projektsteuerung hat oder viel Fachwissen mitbringt. In Zeiten des Fachkräftemangels ist dieser Urteilsfehler besonders schmerzlich, denn durch ihn bleiben wertvolle Potenziale von Mitarbeiter*innen unerkannt und ungenutzt.
Psychologischer Praxistipp
Auch gegen den Horn-Effekt hilft eine analytische Herangehensweise mittels eines Kompetenzenprofils, denn Sie lernen Ihre Mitarbeiter*innen in diesen Gesprächen immer besser kennen und können Ihre Urteile auf immer mehr Wissen aufbauen.
Und wie gegen alle Wahrnehmungs- und Beurteilungsfehler hilft auch bei Halo- und Horn-Effekten das Einholen von dritten Meinungen, um den eigenen blinden Fleck zu verkleinern. In diesem Sinne ist dieser Beitrag eine Einladung dazu dem eigenen (ersten) Eindruck nicht zu viel Gewicht zuzumessen, sondern neugierig und offen zu bleiben. Und wer weiß, vielleicht schlummert in Ihrem „Team -Mauerblümchen“ mehr als Sie bisher erwarten?