Warum Daten nicht sprechen – und schon gar nicht für sich.
Der Anspruch der faktengestützten Entscheidungsfindung kommt aus dem Qualitätsmanagement und es leuchtet uns allen ein, dass es sinnvoll ist, Entscheidungen nicht willkürlich oder rein aus dem Bauch heraus zu treffen. Insbesondere wenn es um weitreichende oder wichtige unternehmerische Weichenstellungen geht, gibt es uns ein beruhigendes Gefühl, diese mit Fakten zu validieren.
Aber welche Quellen wähle ich für meine Meinungsbildung aus und wie interpretiere ich die mir vorliegenden Fakten und Informationen, wenn es darum geht, handlungsrelevante Schlüsse zu ziehen?
Entschiedungsfindung
Psychologisch gesehen neigen wir dazu, unsere eigenen Meinungen und Erwartungen bestätigen zu wollen und daher suchen wir gezielt nach Informationen, die genau das tun. So konnte in einer Studie gezeigt werden, dass Käufer einer bestimmten Automarke nach Unterzeichnung des Kaufvertrages besonders häufig Internetseiten der gekauften Marke aufrufen. Dieses Verhalten zeigt, dass der kognitive Entscheidungsprozess nicht, wie man meinen sollte, mit dem Kauf abgeschlossen ist, sondern dass er weiter andauert, bis wir durch bestätigende Informationen im Nachhinein die Richtigkeit unserer Entscheidung untermauert haben.
Und wenn bereits Daten und Statistiken vorliegen, wie es in Unternehmen der Fall ist, um laut Qualitätsmanagement faktenbasierte Entscheidungen zu treffen? Dann wählen wir gerne den Ausschnitt aus, der unsere Meinungen stützt oder interpretieren die vorliegenden Daten so, dass die gewünschte Entscheidung untermauert wird – frei nach dem alten Satz „Traue keiner Statistik, die du nicht selbst gefälscht hast.“
Diese Form der Wahrnehmungsverzerrung nennt man Confirmation Bias oder Bestätigungsfehler und er wurde das erste Mal 1960 von Peter Wason beschrieben. Diese Wahrnehmungsverzerrung ist eng verwandt mit dem Wunsch nach einer inneren Balance, die ich erlebe, wenn ich bestätigende Informationen lese und der Vermeidung von Dissonanzen, die abweichende Fakten bei mir auslösen. Dieses psychologische Phänomen habe ich in meinem Artikel „Raus aus der Blase“ beschrieben.
Problematisch wird dieser Bias im Unternehmenskontext immer dann, wenn die Informationsquellen von Mitarbeiter- und Leitungsebene voneinander abweichen. Besonders häufig kommt das in Veränderungssituationen vor, da hier die Leitungsebene aufgrund ihrer Rolle einen zeitlichen Informationsvorsprung in Bezug auf interne Umstrukturierungsprozesse hat, während die im Nachhinein informierten Mitarbeiter ganz menschlich mit einem Unbehagen auf den fremdgesteuerten Wandel reagieren. An dieser Stelle besteht die Gefahr, den Kontakt zu den Mitarbeitern und ihrer Perspektive zu verlieren, die ich in Zeiten der Umstrukturierung so dringend brauche.
Sehen wir uns ein praktisches Beispiel an:
Die Autoindustrie sah nach der Diesel-Affäre und der politischen Entscheidung, E-Mobilität zu fördern, strategisch eine gute Möglichkeit für einen Imagewechsel und so überboten sich die Konzerne förmlich mit öffentlichkeitswirksamen Aussagen über ihre zukünftigen Spitzenplätze in der neuen nachhaltigen und elektrifizierten Welt.
Die Händler sehen das aber bis heute noch ganz anders. Für sie stellt das Verkaufen von E-Autos eine massive Veränderung dar und aus ihren Reihen hörte man deutliche Bedenken gegenüber der Technologie insgesamt, dem Kurswechsel ihres Konzerns und der internen Verkaufs- und Bonusstruktur.
Und all ihre Bedenken, Sorgen und Warnungen stützen sich immer auch auf fundierte Daten und Fakten und wechselseitige Bestätigungen im Händler- und Kollegenkreis.
Psychologischer Praxistipp
Halten Sie die negativen Auswirkungen des Confirmation Bias in Ihrem Unternehmen klein, indem Sie die Informationsquellen der Mitarbeiter und der Leitungsebene über eine transparente Kommunikations- und Informationsstrategie möglichst früh in einer Veränderungssituation angleichen. Und lernen Sie die Bedenken und Ängste ihrer Mitarbeiter kennen, denn nur so können Sie gezielt positiv darauf einwirken.
Ängste und Befürchtungen werden nicht mit Daten und Fakten ausgeräumt, sondern mit dem Gefühl der Bewältigbarkeit der neuen Situation. Geben Sie daher Ihren Mitarbeitern genügend Zeit und Raum, für bevorstehende Herausforderungen Lösungen zu erarbeiten. Das wird die Ängste vor den Neuerungen reduzieren und damit auch den Bedarf, sich Informationen zu suchen, die bestätigen, dass die Veränderung gar nicht funktionieren kann.
Wason, Peter (1960). "On The Failure to Eliminate Hypotheses in a Conceptual Task". Quarterly Journal of Experimental Psychology.